Refbejuso - Tätigkeitsbericht 2021

17 Christian Tappenbeck Kirchenschreiber Der ungebetene Gast, böse Briefe und die liebevolle Zuwendung Der ungebetene Gast ist immer noch da: Das Coronavirus sind wir auch 2021 nicht losgeworden. Und so wissen wir inzwischen bestens über Gesichtsmasken, Desinfektionssprays, Luftmessgeräte und Videokonferenzen Bescheid. Im alltäglichen Umgang mit der Pandemie hat sich längst eine gelangweilte Routine eingestellt. In auffälligem Gegensatz hierzu steht die Gereiztheit, sobald von staatlichen Pandemiemassnahmen und ihrer Umsetzung die Rede ist. Bei der Kirchenkanzlei sind hierzu im vergangenen Jahr ganz unterschiedliche Reaktionen eingegangen. Für die einen liess sich die Kirche vom Staat gängeln, weil sie sich nicht lautstark gegen das Zertifikatsregime erhob. Für andere wiederum nahm sie viel zu viel Rücksicht auf impfskeptische Menschen, die pauschal als Anhängerinnen und Anhänger apokalyptischevangelikaler Verschwörungstheorien gebrandmarkt wurden. Oder es wurde beklagt, dass sich die Kirche im Vergleich zu den Kulturschaffenden unberechtigte Privilegien herausnehme. Vielen Reaktionen gemeinsam war eine Tonalität, die keinerlei Widerspruch zu dulden schien. In einer Kirche, die sich als Dialoggemeinschaft versteht, ist das zuerst einmal gewöhnungsbedürftig. Aber sind genervte Zuschriften nicht auch nachvollziehbar in einer Zeit, die geprägt ist von Ungewissheit und enttäuschter Hoffnung auf eine baldige Rückkehr zur Normalität? Jede erboste Reaktion transportiert so auch wichtige Anfragen an unsere Kirche: Wissen wir uns von der biblischen Verheissung auf ein «Leben in Fülle» (Joh 10,10) selbst in widrigen Umständen getragen? Schöpfen wir hieraus die Kraft, hoffnungsvoll, mit Liebe und Besonnenheit die vielfältigen Herausforderungen anzugehen? Können wir als Kirche Zeugnis davon geben, wie wir die Hoffnung behalten und das Wohl unserer Mitmenschen nicht aus den Augen verlieren? Die Kirche bleibt, so scheint mir, sehr gefragt. So könnte unsere Gesellschaft gut eine kirchliche Auffrischungsimpfung vertragen, um nicht den unsolidarischen Zumutungen im In- und Ausland zu erliegen. Dass beispielsweise in ärmeren Ländern noch immer nur ein eingeschränkter Zugang zum Impfstoff besteht, ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. In einer Krisenzeit wird besonders deutlich, wie wichtig es ist, dass die Landeskirche mit ihrer Botschaft wahrgenommen wird – ein wesentlicher Grund, warum die Kirchenkanzlei seit Anfang 2021 eine Neuaufstellung des Kommunikationsdienstes vorantreibt. Häufig sind es aber auch nur die kleinen Gesten, die den kirchlichen Geist zum Ausdruck bringen. Auf die eingangs erwähnten Zuschriften etwa hat die Kirchenkanzlei immer reagiert, damit sie mit den erbosten Absenderinnen und Absendern ins Gespräch kam. Gewiss: Meinungsverschiedenheiten zum richtigen Umgang mit der Pandemie liessen sich dabei selten aus der Welt schaffen. Entscheidender dürfte aber die Erkenntnis sein, dass menschliche Kategorien – und darunter fällt auch der Impfstatus – nichts daran zu ändern vermögen, dass sich Gott all seinen Geschöpfen in Liebe zuwendet. Die liebevolle Zuwendung bleibt daher auch im zwischenmenschlichen Umgang die leitende Perspektive. Wie sonst wollen wir offen bleiben für den Andern und das Abgleiten in einen Zustand vermeiden, bei dem jeder Mensch nur noch «das Seine sucht» (1 Kor 10,24)? Kirchenkanzlei

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc3MzQ=