Refbejuso - Tätigkeitsbericht 2021

35 Iwan Schulthess Departementschef Theologie Der Gottesdienst trägt die Kirche Wenn sonntags die Glocken zum gemeinsamen Gottesdienst in die Kirche einladen, dann kommen Menschen zusammen, um zu singen, zu beten, zu taufen, die Predigt zu hören und das Abendmahl zu feiern. Der Gottesdienst ist Zentrum und Quelle der christlichen Gemeinde; hier vergewissert sich die Kirche ihres Glaubens. Dabei stehen die Gottesdiensttüren allen Menschen offen. Der Gottesdienst ist Ort und Symbol dafür, wie sehr die Kirche für alle Menschen da ist und wie niemand von Gottes bedingungsloser Liebe ausgeschlossen ist und wird. Der für alle offene Gottesdienst steht als Garant einer offenen Kirche. Die Gefährdung dieser Offenheit durch die Pandemie hat die Kirche daher in ihrem innersten Selbstverständnis tief getroffen und verunsichert. Viele Gespräche, Diskussionen und ge- duldiges Suchen nach umsetzbaren Lösungen waren auch 2021 nötig, um die Auswirkungen der Pandemie auf den Gottesdienst einzuordnen. Die Pandemie hat die Kirche in Sachen Gottesdienst aber auch zu kreativen Prozessen neuer Öffnung geführt. Zwei Jahre mit grossen Einschränkungen haben der Etablierung digitaler Formen des Gottesdienstes enormen Vorschub geleistet. Der Liebe Gottes verpflichtet, können wir als Kirche nie offen genug sein. Auch ohne Pandemie hat der Gottesdienst vielerorts einen schweren Stand und der Synodalrat muss vermehrt zur Kenntnis nehmen, dass beim Abbau von Pfarrstellen schnell die Bereitschaft da ist, deswegen das Gottesdienstangebot einzuschränken. Das hat Auswirkungen. Auf das verbreitete Bild der leeren Kirchenbänke folgt zusätzlich immer mehr das Bild der stummen Kirchenglocken und der leeren Kanzeln. Schleichend geht ein sonntägliches Verstummen der Verkündigungsorte durchs Land. Verfassung und Kirchenordnung sehen das nicht vor. Dort wird der Gottesdienst als «tragendes Element im Leben der Kirchgemeinde» verstanden. Die Kirche versieht ihren Auftrag, allem Volk in Kirche und Welt die Botschaft von Jesus Christus zu verkündigen, demnach wesentlich auch durch die Predigt. Departement und Bereich Theologie stützen vielfältig den Erhalt attraktiver Gottesdienstangebote. Denn alle Beobachtungen zeigen, dass die Ausdünnung des Angebots den Gottesdienstbesuch nicht anhebt, sondern noch mehr verflacht. Umgekehrtes verdeutlichen all jene ermutigenden Beispiele, die einen kraftvollen Gottesdienst als entscheidenden Faktor im Prozess der Erneuerung von Kirche begreifen. Sie verknüpfen die Vision von inspirierendem und belebendem Gottesdienst mit einem dieser Vision entsprechenden strategischen Ziel und entwickeln beispielsweise in ihrem Angebot verschiedene Gottesdienstformate. Entstehen trotzdem Lücken im Predigtplan, dann kennen wir in unserer Kirche den wertvollen Dienst der Prädikanten und Prädikantinnen. Das sind Männer und Frauen, die in besonderer Weise vom gemeinsamen Feiern und der Verkündigung begeistert sind und eben Lücken abdecken können. Sie haben dafür eine Ausbildung im Rahmen von RefModula absolviert, besuchen jährlich eine Weiterbildungstagung und bringen so erworbene Kompetenzen gepaart mit ihren Begabungen in die Gestaltung von Gottesdiensten ein. Jährlich sind das rund 300 Einsätze. Und es dürfen noch mehr sein. So stiessen auch 2021 zwei weitere Prädikanten zum Team dieses Predigtdienstes. Zusätzlich entstand im Berichtsjahr unter dem Titel «Einfach feiern» eine inspirierende Broschüre, gedacht als Starthilfe für Gemeinden, die kleine partizipative Gottesdienstformen erproben möchten, die vom Miteinander in grösserer oder kleiner Runde, sei es in der Kirche, im Kirchgemeindehaus, zuhause oder auch an anderen Orten, leben. Wenn also sonntags Glocken und Kanzeln zu verstummen drohen, dann braucht der Gottesdienst keine Sterbebegleitung. Es sind auch andere Wege wählbar. Denn letztlich darf jene Sorge nicht ganz übersehen werden, dass eine Kirche, die am Sonntag in eigener Sache immer mehr schweigt, im Alltag der Gesellschaft wenig glaubwürdig wirkt, will sie dort die Stimme ihres Wächteramtes erheben. Die Kirche trägt den Gottesdienst und der Gottesdienst trägt die Kirche. Departement Theologie

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc3MzQ=